Emotionen verstehen und regulieren

Die Freude auf einem Konzert unserer Lieblingsband, den Stolz bei einer Beförderung und die Überraschung mit unserer Lieblingstorte zum Geburtstag – alle diese Emotionen heißen wir gern willkommen. Angst, Traurigkeit und Wut – schieben viele von uns doch lieber zur Seite. Sie sind zu unangenehm und erwünscht – dabei steckt auch hinter negativen Emotionen meist eine wichtige Message. Wie du lernst, deine Emotionen zu verstehen und zu regulieren, erfährst du hier.

Was sind Emotionen?

Emotionen sind affektive, d. h. gefühlsartige Reaktionen, welche unwillkürlich und automatisch in Bezug auf ein Ereignis oder Objekt auftreten. Im Gegensatz zu Stimmungen sind sie zudem zumeist von eher kurzer zeitlicher Dauer.  Freude, Überraschung, Traurigkeit, Furcht, Wut und Ekel zählen nach der Auffassung vieler Forscher zu den sog. Basisemotionen und werden von allen Menschen kulturübergreifend gezeigt und erkannt. Darüber können wir unzählige weitere Emotionen erleben, beispielsweise Liebe, Zuneigung, Dankbarkeit, Stolz, Neid, Hilflosigkeit, Schuld, Verzweiflung, Scham, Enttäuschung, Verachtung etc. Die Intensität der Emotionen kann dabei ganz unterschiedlich ausfallen – von Zufriedenheit bis Euphorie, von Gereiztheit zu Zorn.

Funktion von Emotionen

Sicherlich hast du vor Freude und Glück schon einmal gelacht, vor Angst gezittert und vor lauter Traurigkeit ein paar Tränen vergossen. Das liegt daran, dass jede Emotion aus verschiedenen Komponenten besteht (Rothermund & Eder, 2011). Eng verknüpft mit den Komponenten, sind auch die Funktionen unserer Emotionen – denn auch wenn sie manchmal ungelegen erscheinen oder uns überfordern, Emotionen spiegeln uns unsere Bedürfnisse und spielen damit eine sehr wichtige Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.

An erster Stelle steht unser Erleben der Emotion. Es beschreibt unsere subjektive Erfahrung und die Gefühle, die in uns aufsteigen.

Mit der Emotion einher gehen physiologische Veränderungen. Sie stellen sicher, dass auf körperliche Ebene möglichst schnell die notwendige Energie und Voraussetzungen bereitgestellt werden, um zu handeln. So erleben wir beispielsweise eine Aufmerksamkeitslenkung auf die bedrohliche Person und durch die Aktivierung des autonomen Nervensystems eine Steigerung von Puls, Blutdruck und Muskelspannung. Reflexe werden aktiviert.

Vielleicht zählst du auch zu den Menschen, denen „ins Gesicht geschrieben steht“ wie es ihnen gerade geht. Unsere Emotion wird nämlich durch Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimme und die Kommunikation mit anderen zum Ausdruck gebracht. Darüber können andere Personen beispielsweise erkennen, ob und welche Art von Unterstützung wir vielleicht brauchen oder ob Gefahr auch für sie droht etc.

Schlussendlich verfügt unsere Emotion ebenso über eine motivationale Komponente. Emotionen bieten eine Orientierung, beeinflussen unsere Bereitschaft, bestimmte Handlungen auszuführen und haben einen wichtigen funktionalen Aspekt. So gibt Furcht zum Beispiel den Impuls zur Flucht. Evolutionär bedingt dient diese dazu, uns in Sicherheit zu bringen. Ärger schützt uns vor Ausbeutung durch andere und Ekel bringt uns dazu, potenziell schädliche Stoffe zurückzuweisen. Die Emotion Freude hingegen zeigt uns, was uns guttut und glücklich macht.

Btw: Auch wenn wir uns das Leben nicht einfach „positiv denken“ können – eine Emotion hat auch immer eine kognitive Komponente. Unsere gedankliche Einschätzung und Bewertung beeinflussen unsere Emotion. Dabei betrachten wir die Relevanz eines Ereignisses für uns selbst, gleichen ab, inwiefern es zu unseren Zielen passt und schätzen ab, ob wir über ausreichend Kontroll- und Bewältigungsmöglichkeiten verfügen. Zudem helfen uns kognitive Prozesse eine Emotion zu kategorisieren und zu benennen.

Emotionen wahrnehmen und Bedürfnisse verstehen

Nun hast du zwar einen ersten Einblick in die Funktionen von Emotionen erhalten, aber vielleicht weißt du immer noch nicht, wie genau du damit nun praktisch umgehen kannst.

Vorab was du definitiv nicht tun solltest: deine Emotionen ignorieren, unterdrücken oder verleugnen – weil du dich damit überfordert fühlst oder weil manche Emotionen gesellschaftlich als eher unerwünscht und „nicht okay“ eingestuft werden. Alle deine Emotionen haben einen Sinn und eine Berechtigung – egal, welche es sind. (Und egal, wer du bist: als Mann darfst du Traurigkeit und Angst empfinden; als Frau darfst du dich ebenso wütend fühlen.)
Denn: unterdrückte Emotionen verschwinden nicht einfach, die Anspannung bleibt bestehen. Wenn wir regelmäßig und dauerhaft unsere Emotionen unterdrücken, kann dies nicht nur zu einem erhöhten Stresserleben, sondern auch zu psychosomatischen Beschwerden führen. Und ihren Sinn, dich auf deine eigenen Bedürfnisse aufmerksam zu machen und zu motivieren, entsprechend diesen zu handeln, können Emotionen auch nicht, wenn du sie beiseite schiebst.

Schauen wir uns also zuerst an, wie du deine eigenen Emotionen besser wahrnehmen und verstehen kannst. Im Anschluss erhältst du Tipps, wie du am besten mit überbrausenden, überfordernden Emotionen umgehst und diese regulierst.

  1. Wahrnehmen
    Versuche deine Emotion bewusst wahrzunehmen. Fühle ein bisschen in dich hinein. Was empfindest du? Wo in deinem Körper spürst du es? Wie fühlt es sich an? Kannst du die Emotion benennen? Bewerte deine Emotion nicht. Sie ist weder gut noch schlecht. Erlaube der Emotion da zu sein.

  2. Neugierig sein und reflektieren
    Frage dich einmal, was hinter deiner Emotion steckt. Warum fühlst du dich gerade so? Was ist der wahre Grund dahinter? Gab es schon einmal eine ähnliche Situation in deiner Vergangenheit? Verstecken sich noch andere Gefühle hinter der Emotion? Was sagt das über dich in der aktuellen Situation aus? Was brauchst du jetzt und was könnte dir helfen, dich besser zu fühlen? Brauchst du ein Glas Wasser und einen Snack, eine Umarmung, Zeit für dich, jemanden zum Zuhören, eine fairere Arbeitsteilung, Wertschätzung, Aufmerksamkeit etc.? Wie kannst du das erhalten?

  3. Bewusst fühlen und akzeptieren
    Erlaube dir selbst, diese Emotion bewusst zu fühlen. Akzeptiere, dass sie im Moment da ist. Sie wird auch wieder vorübergehen. Begegne dir selbst mit Neugier und Mitgefühl, für das, was du gerade fühlst und was du brauchst.

  4. Handeln
    Wenn du weißt, was deine Emotion dir mitteilen möchte, komme ins Handeln. Kannst du dein Bedürfnis selbst erfüllen? Dann tue das. Möchtest du einer Person mitteilen, welche Emotionen ihr Verhalten in dir ausgelöst hast und was du dir wünschst? Teile es der Person mit. Bleibe bei dir und sprich in der Ich-Form ohne dein Gegenüber zu beschuldigen. Stehe für dich und deine Bedürfnisse ein. Triff Entscheidungen. Ziehe Grenzen falls notwendig.

Emotionen regulieren

In manchen Momenten kochen unsere Emotionen über – du hast das Gefühl, nicht mehr Herr/ Frau deiner selbst zu sein. So kann starke Wut uns dazu bewegen, unseren Mitmenschen Gemeinheiten an den Kopf zu werfen oder voreilige Entscheidungen zu treffen. Starke Ängste können uns davon abhalten, ins Flugzeug zu steigen oder auf ein Date zu gehen. Die Emotion ist in diesem Moment hinderlich und wir sind nicht in der Lage, wie oben beschrieben, in Ruhe zu reflektieren und wirklich zielführend zu handeln. In diesen Momenten sind Techniken zur Emotionsregulation praktisch. Wenn deine Emotion überhand nimmt, kannst du:

  1. Eine akzeptierende Haltung einnehmen
    Nimm an, dass du gerade ganz viel fühlst und vermutlich auch körperlich spürst. Erlaube der Emotion da zu sein. Akzeptiere, dass du dich gerade überfordert fühlst.

  2. Distanz schaffen
    Versuche vorübergehend aus der Situation zu gehen. Schaffe räumlichen oder zeitlichen Abstand, in dem du z. B. in einem Streit kurz in einen anderen Raum gehst oder den Rest des Gesprächs auf einen späteren Zeitpunkt vertagst.
    Du kannst probieren, dich in der Zwischenzeit abzulenken, in dem du z. B. etwas aufräumst, eine Runde spazieren oder einkaufen gehst, eine lustige Serie anschaust, ein Rätsel löst etc.

    Du hast Emotionen, du bist nicht deine Emotion. Anstatt „Ich bin wütend“ ist auch ein „Ich empfinde Wut“, anstatt eines „Ich bin ängstlich“ vielleicht auch „Ich empfinde Angst“ okay. Anstatt „Ich bin schuld“, besser „Ich fühle mich schuldig.“

  3. Emotionen herauslassen
    Erlaube dir die Emotion in einem geschützten Rahmen herauszulassen. Wenn du die Wut in dir kochen spürst, kannst du beispielsweise in ein Kissen boxen. Oder du schreist im Wald. Oder machst einen HIIT-Workout. Wenn du dich sehr traurig oder verletzt fühlst, erlaube dir zu weinen. Erlaube dir, dich niedergeschlagen und schlecht zu fühlen. Du wirst merken, nach einer Weile klingt die Emotionswelle wieder ab und auch dein Körper beruhigt sich etwas.

Jetzt darfst du wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, herausfinden, was hinter deiner Emotion steckt, welche Bedürfnisse du hast und deine Erkenntnisse in deinen Entscheidungen und Handlung einbeziehen.

Wie du siehst, Emotionen liefern uns wichtige Informationen. Sie lassen uns wohltuende und freudebringende Aktivitäten genießen und wiederholen. Sie warnen uns vor Bedrohungen und versetzen uns in eine körperliche Lage, diese möglichst gut zu bewältigen. Sie erlauben uns mit anderen zu kommunizieren. Vor allem aber weisen sie uns wieder und wieder auf unsere eigenen Bedürfnisse hin – du darfst deine Emotionen also annehmen und als Reminder nutzen, für dich selbst zu sorgen.

Falls du dir dabei Unterstützung wünschst oder das Gefühl hast, hinter deinen Emotionen steckt noch viel mehr – zum Beispiel unverarbeitete Erfahrungen aus der Vergangenheit – dann melde dich gern bei mir.

Literatur:
Rothermund, K. & Eder, A. (2011). Allgemeine Psychologie: Motivation und Emotion. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl.